DOI: | https://doi.org/10.37307/j.1868-7806.2020.04 |
Lizenz: | ESV-Lizenz |
ISSN: | 1868-7806 |
Ausgabe / Jahr: | 4 / 2020 |
Veröffentlicht: | 2020-12-11 |
Der Aufsatz untersucht Kants Verhältnis zur physikotheologischen (Lehr-)Dichtung in den vorkritischen Schriften sowie Kants radikale Abwendung von einem lyrischen Gestus seit den 1770er Jahren, die zum einen auf dem strikten Gegensatz von Philosophie und Dichtung abhebt und zum anderen die Prosa als Darstellungsmittel der Transzendentalphilosophie ins Zentrum rückt.
Erst kürzlich hat sich die Germanistik von der nationalen Rezeption des „Epimenides“ gelöst. Daran anknüpfend rekonstruiert der Aufsatz Goethes pronapoleonische Einstellung anhand von Friedrich Buchholz’ „Rom und London“ (1807) und deutet das Festspiel als Auflösung des Widerspruchs zwischen dieser Haltung einerseits und der nach der Niederlage Napoleons notwendigen Anerkennung der neuen Machtverhältnisse andererseits. Goethe lässt die Nation als Faktum gelten, wendet sich aber (wie Epimenides) von ihr ab und „fremden Zeiten“, d.h. der Weltliteratur zu.
Die neuere Forschung hat zu Recht betont, dass Karl Immermann nicht mehr unbesehen in die Schar der Klassik-Epigonen einzureihen ist. Nicht zu übersehen bleibt aber weiterhin seine Arbeit nach literarischen Mustern, die in ihrer spezifischen Ausformung zu analysieren ist. So steckt im Zeitroman „Die Epigonen“ (1836) ein kaum beachteter Rückbezug auf Schillers „Wallenstein“, der sich mit zeitgenössischen Tendenzen (vor allem der Industrialisierung) überlagert. Ungefähr zeitgleich ist im Schlussakt von Goethes „Faust II“ eine Modernisierung der Faustfigur im Betreiben eines Kolonisationsprojekts zu beobachten. Eine „Vergleichung“ erweist den alten Goethe in dieser letzten Lebensrolle Fausts als den wahren Modernisierer der klassischen Epoche.
Urs Widmers 2004 erschienener Roman „Das Buch des Vaters“ stellt eine literarische Auseinandersetzung mit dem Erbe des Vaters dar. Bestimmend hierfür ist die Figur der Metalepse, die gemäß einer Logik der Umkehr das Spätere dem Früheren vorordnet: Angelegt als Lebensbuch des Vaters (das „weiße Buch“) geht die Konstruktion des Romans vom Verlust dieses weißen Buchs aus, um es als Literatur (aus der Feder des Sohnes) „noch einmal“ zu schreiben. Als eine metaleptische „Rhetorik der Persuasion“ (de Man) erprobt „Das Buch des Vaters“ gegen die Logik zeitlicher Nachfolge und gegen den Tod des Vaters die evokative Macht literarischer Hypotypose; als Verhandlung eines literarischen Erbes des Vaters bietet der Roman, indem er in der Literatur des Sohnes die Erfüllung des väterlichen Lebens und Schreibens erzählt, einen pointierten Gegenentwurf zu klassischen Theorien des literarischen Erbes im Ausgang von ihrer „testamentarischen Funktion“ (Derrida).
Der Beitrag begreift Peter Handkes „Die Obstdiebin oder Einfache Fahrt ins Landesinnere“ (2017) gleichzeitig als eine Erzählung und eine Meta-Erzählung über das Erzählen. Nicht nur ist hier ein alternder Ich-Erzähler auf der Suche, nämlich nach der „Obstdiebin“ Alexia, die zugleich Figur und Erzählung ist; auch Alexia ist auf der Suche nach ihrem eigenen Stil, der zugleich der Stil der Erzählung sein soll. Der Text stellt damit die Frage, wie in der Gegenwart erzählt werden kann und was die Konturen und Gebärden eines solchen Erzählens sein könnten. Die Stil-Frage erweist sich an den Liniengebilden, die die Protagonistin auf ihrer Wanderung durch die Landschaft zieht und die als Zeitfiguren des Textes gelesen werden können.
The argument of Malika Maskarinec’s “Forces of Form in German Modernism” traces an elliptical trajectory. Its first focus lies on the modernist affirmation of “uprightness as a corporeal and aesthetic ideal”, which the author discerns across a range of artistic mediums: most tangibly in Auguste Rodin’s vertiginous sculpture, but also in the tightrope walkers populating Paul Klee’s paintings, in Franz Kafka’s struggle to fall asleep (and get out of bed), and in Franz Biberkopf’s tragic yet mundane effort to stay upright. Each of these close readings is insightful on its own, but together they display a connection that is more than thematic, and which sets this book above the standard collection of occasional essays.
Mit ihrem sich Goethe, Stifter, Storm und Fontane widmenden Buch „Gespenster des Realismus“ legt Elisabeth Strowick eine durchaus anregende Studie darüber vor, wie die „Wahrnehmung von Wirklichkeit in der Literatur des 19. Jahrhunderts“ dargestellt und strukturiert ist. Sie verankert ihre Ausführungen zum einen in der gegenwärtigen wissensgeschichtlichen Diskussion um die Rekonfiguration „des Feldes visueller Wahrnehmung im ersten Drittel des 19. Jahrhunderts“; zum anderen in einer Konzeption des Realismus, der sich gerade in „der Trennung von Wahrnehmung und Referenz“ geltend mache.
Temperaturrekorde, Wirbelstürme, Unwetter: Extremes Wetter und katastrophische Wetterereignisse bestimmen unsere Nachrichten. Weil das Klima – anders als das Wetter – nicht ereignishaft ist und nicht in Bilder und Situationen gefasst werden kann, prägen Wetterkatastrophen unsere Bilder vom Klimawandel. Die Differenz von Wetter und Klima – sowie von Meteorologie und Klimatologie – ist jedoch gerade im Zusammenhang mit dem Klimawandel (und im erweiterten Sinne mit dem Anthropozän) zentral: Während das Klima ein globales, latentes System ist, ist das Wetter lokal, manifest und ereignishaft.
Die Briefpartner dieser Korrespondenz könnten kaum unterschiedlicher sein. Auf der einen Seite Ernst Jünger, Soldat zweier Weltkriege, und als Autor von „In Stahlgewittern“, „Der Arbeiter“ und „Auf den Marmorklippen“ enger mit der deutschen Schreckensgeschichte des 20. Jahrhunderts verknüpft als jeder andere Autor. Auf der anderen Seite Joseph Wulf, in Krakau zum Rabbiner ausgebildet, Mitglied einer jüdischen Untergrundorganisation, Häftling in Auschwitz und nach erfolgreicher Flucht aus einem Todesmarsch im Februar 1945 einer der ersten Historiker und Dokumentaristen der nationalsozialistischen Verbrechen überhaupt.
„Ambiguous Aggression in German Realism and Beyond“ fragt nach der Rhetorik und Psychologie von Wortwechseln, welche der perfiden Logik eines Nervenkriegs folgen, in dem sich Zuneigung und Fürsorge mit Bevormundung, Kränkung und Zurückweisung zu einer schwer erträglichen Grundstimmung mischen – ohne Eskalation, ohne Ventil. Mit dem titelgebenden Begriff der ambigen Aggression rückt die Studie Sprechakte ins Zentrum, die verdeckte Signale der Ablehnung, der Machtausübung oder Gewaltandrohung in Situationen aussenden, die auf emotionaler Nähe basieren: Widersprüchliche Botschaften, die auf emotiver und konativer Ebene widersprüchliche Gefühle vermitteln oder auch auslösen.
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