Der Beitrag versucht, das aktuelle Forschungsinteresse an ästhetischen Effekten von Dinglichkeit in vormoderner Literatur wissenschaftstheoretisch aus der spätmodernen Kultursituation heraus zu verstehen, deren soziale Funktionalisierung ästhetischer Prozesse in den historischen Kulturwissenschaften längst produktiv geworden ist. Er bietet dazu an, das erhöhte wissenschaftliche Bewusstsein für die historischen Möglichkeiten ästhetischen Denkens, wie es sich in den letzten Jahren in den Vorschlägen zum literarischen Ding-Diskurs widerspiegelt, über das Konzept des ‚agonalen Objekts‘ zu fassen. Abgeleitet aus der historischen Semantik von ‚Ding‘ und ‚Sache‘ ist damit die ästhetische Praxis eines dreistelligen Widerstreits gemeint, die sich in den Qualitäten literarischer Gegenstände in Spät- und Vormoderne materialisiert. Diese agonale Praxis ist heute so geläufig, dass sich ihre mediävistischen Grundbegriffe exemplarisch an einem der berühmtesten, gleichwohl umstrittenen Vertreter des sog. Jugendbuchs aufweisen lassen. Die ästhetischen Denkfiguren sind damit indes keinesfalls trivial, wie die Modellinterpretation der Assemblage von Wunderburg, Wunderbett und Wundersäule in Wolframs von Eschenbach „Parzival“ zeigen soll. Sie ermöglichen es nämlich, im Spiegel der ästhetischen Objekte dynamische Linienzüge des Denkens diesseits und jenseits der positiven Sichtbarkeit zu entdecken, entlang derer sich die historische Ästhetik als Alternative zur logischen Gradlinigkeit erweist.
This article is an attempt to understand the current research interest in the aesthetic effects of thingness in pre-modern literature from the perspective of the late modernist cultural situation. The modernist social functionalization of aesthetic processes has long since been used in historical cultural studies. The article seeks to understand the increased awareness of the historical possibilities of aesthetic thought, as reflected in recent years in the proposals emanating from the literary discourse on the ‘thing’ (das ‘Ding’) in terms of the concept of the ‘agonal object’. Drawing on the historical semantics of ‘Ding’ and ‘Sache’, this refers to the aesthetic practice of a threefold antagonism which arises in the qualities of literary objects in late and pre-modern times. This agonal practice is so familiar today that its basic medieval concepts can be exemplified by one of the most famous, yet controversial representatives of the so-called ‘Jugendbuch’. However, the aesthetic thinking patterns are by no means trivial, as the model interpretation of the assemblage of miraculous castle, bed and pillar in Wolfram von Eschenbach’s “Parzival” shows. By mirroring aesthetic objects, they enable us to discover dynamic lines of thought both within and beyond the bounds of positive visibility which show historical aesthetics to be an alternative to strictly logical thinking.
DOI: | https://doi.org/10.37307/j.1868-7806.2025.01.03 |
Lizenz: | ESV-Lizenz |
ISSN: | 1868-7806 |
Ausgabe / Jahr: | 1 / 2025 |
Veröffentlicht: | 2025-03-19 |
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