In der Vorrede zur „Nibelungen“-Ausgabe aus dem Jahr 1826 erwägt Karl Lachmann die Notwendigkeit der Verzeichnung der Lesarten sämtlicher erhaltener Handschriften. Dies „wird nur einen sinn haben wo in jeder lesart die echte stecken kann“. Für die „Nibelungen“ verwirft er eine solche Vorgangsweise, da er in A (München, Bayerische Staatsbibliothek, Cgm 34) die dem Original am nächsten stehende Handschrift sieht und den übrigen Textzeugen „keine grössere beglaubigung als eine conjectur“ zugesteht. Sieben Jahre später stellt er in der Einleitung zu seiner „Parzival“-Ausgabe erneut Überlegungen über die Gewichtung der Überlieferungsträger an. Diesmal jedoch spricht er von der Gleichwertigkeit der Hauptklassen *D und *G und führt die Bevorzugung einer Klasse (*D) lediglich auf pragmatische Gründe zurück. Damit aber erfährt der Lesartenapparat durch den Herausgeber selbst eine beträchtliche Aufwertung – was, mit wenigen Ausnahmen4, am Rezeptionsverhalten der nachfolgenden Generationen wenig änderte: Der Lachmann-Text war sakrosankt, in seinem Schatten ruhte der Lesartenfriedhof.
DOI: | https://doi.org/10.37307/j.1868-7806.2007.01.08 |
Lizenz: | ESV-Lizenz |
ISSN: | 1868-7806 |
Ausgabe / Jahr: | 1 / 2007 |
Veröffentlicht: | 2007-01-01 |
Seiten 99 - 110
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