Konstanze Kähne: Anreden. Absichten. Apostrophen. Zum „Du“ und zur Kommunikationssituation in Gedichten Paul Celans, Tübingen: Stauffenburg 2015

• Carlos Spoerhase

Bislang liegen eine Vielzahl von historischen und systematischen literaturwissenschaftlichen Arbeiten zum „Ich“ in der Lyrik und zum „lyrischen Ich“ vor. Für das „Du“ in der Lyrik und das „lyrische Du“ gilt das allerdings nicht. Die Arbeit der Verfasserin gilt den diversen Funktionen des „Du“ in den Gedichten Paul Celans. Damit befasst sie sich sowohl mit einer der zentralen Fragestellungen der Celan-Forschung als auch mit einem der wichtigsten Forschungsdesiderate der gegenwärtigen Lyriktheorie. Die Arbeit besteht aus zwei klar voneinander abgegrenzten Teilen. In dem ersten, systematischen Teil werden vorliegende Theorien des „Du“ in der Lyrik zusammengetragen und kritisch diskutiert. Wie die Autorin überzeugend verdeutlichen kann, lohnt es sich, einschlägige Perspektiven aus der Literaturwissenschaft (vor allem von Jonathan Culler und Barbara Johnson), der Rhetorik und der Linguistik (hier vor allem textlinguistische Deixis-Theorien) zu berücksichtigen. Philosophische Perspektiven zum „Du“ berücksichtigt die Verfasserin nicht (obwohl gerade diese für die Interpretation des „Du“-Gebrauchs in der Lyrik Celans immer wieder herangezogen worden sind). Der umfassende Forschungsbericht konkludiert mit der Einschätzung, dass für die Untersuchung des „Du“ in der Lyrik sowohl die Rhetorik mit ihren Konzepten der Anrede, Apostrophe, Exclamatio und Prosopopöie als auch die Linguistik mit ihrem Konzept der personalen Deixis das beste Analyseinstrumentarium bereitstelle. Das „Du“ in der Lyrik wird von der Verfasserin im Folgenden als personale Deixis verstanden, die eine Kommunikationssituation zu evozieren vermag, in der ein „Du“ als anwesend vorgestellt wird.