In bewusster Abgrenzung zu den „Frankfurter Poetikvorlesungen“ begründete Hartmut Steinecke 1983 die „Paderborner Gastdozentur für Schriftsteller“ und betonte aus Distanz zu dogmatischen Ansätzen immer wieder, dass seine Gäste gerade nicht geschlossene oder gar normative Poetiken präsentieren müssten. Im Laufe der Jahrzehnte erwies sich, dass diese Position nicht nur zunehmend der Grundhaltung der Gastdozent:innen entsprach, sondern einem allgemeinen Trend schriftstellerischer Selbstreflexion im Rahmen von ‚Poetikvorlesungen‘. Die etablierte Gattungsbezeichnung passt denn auch allgemein kaum noch zu der nahezu regelmäßigen (mindestens impliziten, oft expliziten) Verweigerung von Autor:innen, traditionell strukturierte Vorträge zu ihren persönlichen oder zeitgenössischen Poetiken zu halten. Das vorliegende Handbuch belegt, neben vielem anderen, diese zentrale Entwicklung und dürfte nur mehr um der eingeführten und kompakten Begrifflichkeit willen mit dem Terminus ‚Poetikvorlesungen‘ titeln. Unter ihm kann das von Johanna Bohley, Gundela Hachmann und Julia Scholl herausgegebene Sammelwerk ein enormes Spektrum an Ausprägungen einer einzigartig ‚hybriden‘ Gattung zunächst im anglo-amerikanischen und seit der Nachkriegszeit auch im deutschsprachigen Raum verzeichnen und multiperspektivisch auswerten. Die in der Bundesrepublik, Österreich und der Schweiz in den letzten Jahren aufgeblühte Gattung erscheint dabei als ein mittlerweile fest etabliertes Element des Literatur- und Kulturbetriebs, dessen Analyse, Interpretation und Bewertung im Rahmen eines Handbuchs zweifelsohne angemessen ist.
DOI: | https://doi.org/10.37307/j.1868-7806.2024.04.10 |
Lizenz: | ESV-Lizenz |
ISSN: | 1868-7806 |
Ausgabe / Jahr: | 4 / 2024 |
Veröffentlicht: | 2024-12-13 |
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