Der Beitrag weist nach, dass mittelalterlichen Narrativen mitunter ein rekurrentes Erzählschema zugrunde liegt, das einer reziproken Logik folgt. Das gilt nicht nur für das von Marcel Mauss herausgearbeitete Prinzip des do, ut des für Gabenhandlungen, sondern auch für Raubhandlungen. So wie die Annahme einer Gabe die Gegengabe erfordert, so zieht der Raub die Kompensation nach sich. Das Spannungspotential dieser Konstellationen wird im „Nibelungenlied“ und in Veldekes „Eneasroman“ an Extremfällen diskutiert: In beiden Texten werden durch die Verpflichtungen zur Reziprozität Fakten geschaffen, die den Figuren eine agonale Antwort aufzwingen.
This article shows that medieval narratives are sometimes based on a recurrent narrative schema which follows a reciprocal logic. This is true not only for the principle of do, ut des for giving activities, as has been shown by Marcel Mauss, but also for predatory activities. Just as the acceptance of a gift requires a gift in return, so a robbery requires compensation. The potential for tension in these constellations is discussed using the example of extreme cases in the “Nibelungenlied” and in Heinrich's von Veldeke romance “Eneas”. In both texts, the obligations of reciprocity create facts which impose an agonal response on the characters.
DOI: | https://doi.org/10.37307/j.1868-7806.2014.03.05 |
Lizenz: | ESV-Lizenz |
ISSN: | 1868-7806 |
Ausgabe / Jahr: | 3 / 2014 |
Veröffentlicht: | 2014-10-13 |
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