Gestorben wird in der Literatur seit jeher. In motivgeschichtlicher Hinsicht könnte daher der Tod für die Literaturwissenschaft immer ein ausgedehntes Betätigungsfeld bieten. Seit sich jedoch die Rede vom „Motiv“ zunehmend dem Verdacht ausgesetzt sieht, die vielgestaltige Problemlage sprachlicher und literarischer Repräsentation nicht unbedingt erschöpfend zu behandeln, ist auch der Status des Todes im literarischen Text neu zu bestimmen. Eva Horns Dissertation „Trauer schreiben“ und Joachim Pfeiffers Habilitationsschrift „Tod und Erzählen“ erörtern diesen Status anhand der Epochenschnitte von 1800 und 1900. Sozusagen im Angesicht des Todes kommen mithin zwei spezifische Wendepunkte hin zur Moderne in den Blick, was eine vergleichende Betrachtung der Untersuchungen nahelegt.
Dabei fällt als erstes auf, daß Eva Horn im Titel ihrer Arbeit vom Tod als solchem gar nicht spricht, sondern von der Trauer. Auch der erläuternde Untertitel, „Die Toten im Text der Goethezeit“, nennt gezielt nicht die Instanz oder den Vorgang des Sterbens, sondern lenkt den Blick auf die Gestorbenen. In der Tat geht es der Verfasserin nicht um Darstellungen des Todes oder des Sterbens, sondern um eine literarhistorische Konfiguration, die, so die These, unter dem Zeichen der Hinterlassenschaft des Todes und des Angedenkens an die Toten steht. Der Tod fungiert dabei um 1800 als die entscheidende Störung der neu entwickelten Paradigmen von Subjektivität und Autorschaft. Daß dies wiederum ein Problem von Zeichenordnungen ist, bemerkt die Verfasserin schon auf den ersten Seiten ihrer Untersuchung – in wünschenswerter Klarheit, die ihre Studie durchweg auszeichnet.
DOI: | https://doi.org/10.37307/j.1868-7806.1999.04.12 |
Lizenz: | ESV-Lizenz |
ISSN: | 1868-7806 |
Ausgabe / Jahr: | 4 / 1999 |
Veröffentlicht: | 1999-10-01 |
Seiten 609 - 613
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