Anthologie und Aphorismus stehen in einem besonderen, einem engen Verhältnis zueinander. Der Gattungsbegriff bezieht während der gesamten Zeit seiner klareren Herausbildung auch das Anthologische ein, sei es mittels der Blumenstrauß-Metaphorik oder im Florilegium, sei es konkret in Jean Pauls „Blumenstaub“, Feuchterslebens „Blumenlese“ aus dem „Geist deutscher Klassiker“ (1851) oder einer Anthologie wie „Schillers Aphorismen“ (1802). Im 18. Jahrhundert werden „Aphorismen“ durch Exzerpieren und Sammeln hergestellt, und überall dort, wo in der Folge „Eigenes und Angeeignetes“ gesammelt wird, ist die Grenze zu Exzerpt und Zitat und deren anthologischer Anordnung fließend, bei Goethe und Jean Paul so gut wie bei Rahel Varnhagen und noch bei Hofmannsthal. Heute begegnet die Anthologie in der Regel als die wiederholte, oft kommerziell motivierte Zusammenstellung von Bekanntem; ein vielfach thematischer Faden bindet den Strauß jeweils anders. Weit seltener sind die anthologischen Glücksfälle, in denen der eigenwillige Blick eines Herausgebers eine neue Einheit produziert oder die ganze literaturgeschichtliche Stränge zum ersten Mal aufnehmen und ans Licht heben.
DOI: | https://doi.org/10.37307/j.1868-7806.1999.02.09 |
Lizenz: | ESV-Lizenz |
ISSN: | 1868-7806 |
Ausgabe / Jahr: | 2 / 1999 |
Veröffentlicht: | 1999-07-01 |
Seiten 297 - 302
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